Bericht zur Stadtratssitzung am 30.10.2003

Dieser unten stehende Bericht beinhaltet nur, die für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen sehr wichtigen Themen der Stadtratssitzung:

– Reduzierung der Citybuslinie 32
– Umbenennung der Carl-Diem-Straße
– Fußgängerüberweg in der Wasserloser Straße

Der Erste Bürgermeister Scharwies war in Urlaub, sein Stellvertreter Schuhmacher meldete sich kurzfristig krank, so mußte die Dritte Bürgermeisterin Irene Treffert die Sitzung leiten.

Zum Thema: Citybus-Linie 32

Die Verwaltung schlug vor, diese Linie an Werktagen nur noch von 9 bis 13 Uhr fahren zu lassen. Begründung: Eine schwache Nutzung der Linie (eine Fahrgastzählung wurde am 20. und 21.10.2003 durchgeführt). Mit der o.g. Reduzierung ergäbe sich eine Einsparung von 80.000 € pro Jahr für die Stadt.

Ich führte zum Thema folgendes sinngemäß aus:

Grundsätzlich geht diese Ausdünnung der City-Bus Linie in die falsche Richtung, es ist für uns Grüne ein falsches Zeichen. Mittel- und langfristig müssen wir mehr Verkehr vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in Alzenau inbesondere auf den City-Bus verlagern. Außerdem sehen wir den ÖPNV im Zusammenhang mit der Verkehrsberuhigung im Stadtkern und in den Wohngebieten als einen „Baustein“ unseres Verkehrskonzeptes an. Die Citybus-Linie 32 wurde und wird drastisch abgebaut, zuerst wurde am Wochenende gestrichen und jetzt soll nur noch werktags von 9 bis 13 Uhr gefahren werden. Für uns stellt sich die Frage, wann wird diese Linie völlig sterben ?

Zur Wirtschaftlichkeit bzw. Auslastung der Linie:

Ich könnte noch verstehen, wenn in den Abendstunden (ab ca. 19 Uhr) die Busse der Linie nicht mehr fahren würden, denn genau dann ist bisher die geringste Auslastung (dies ergab die Fahrgastzählung). Außerdem könnte man von Seiten der Verwaltung auch die Einnahmeseite betrachten und verstärkt für den City-Bus werben, für andere Einrichtungen der Stadt wird auch aktiv geworben.
Wie wirtschaftlich sind eigentlich unsere tolle neue Westumgehung und die Kreisel ? Die Westumgehung kostete z.B. 7,5 Mio. € und hat bisher eine sehr geringe Auslastung und damit keine Entlastungswirkung für den Stadtkern !
Aus den o.g. Gründen sind wir GRÜNEN für die Aufrechterhaltung der Citybus-Linie 32 und stimmen gegen die vorgeschlagene Ausdünnung der Linie.

Außer mir (Adelheid Treffer war im Urlaub) stimmte noch Dr. Erik Larsen von der PWG gegen den Verwaltungsvorschlag. Er war der Meinung, daß dadurch gerade ältere Bürger nicht / bzw. schlecht ins Industriegebiet (oder in seine Arztpraxis, nach manchen Behandlungen darf man sowieso nicht Autofahren) gelangen. Die anderen Stadträte von CSU, SPD, FDP + Peter Lenhardt (PWG) waren alle dafür.

Zum Thema: Umbenennung der Carl-Diem-Straße

In der Stellungnahme der Dritten Bürgermeisterin führte Irene Treffert aus, daß aus dem Experten-Hearing der Stadt Würzburg (wurden allen Stadträten mit den Unterlagen geliefert) kein eindeutiges Pro oder Contra für die Umbennung der Carl-Diem-Straße gezogen werden könne. Wenn wir den Namen ändern, müssen wir noch einige andere Straßennamen ändern, und es gibt Leute, die mehr Dreck am Stecken haben, so die Dritte Bürgermeisterin.
Danach durften die Fraktionen ihre Meinung dazu äußern. Die im Main-Echo abgedruckten Stellungnahmen stimmen inhaltlich, sind aber stark verkürzt wieder gegeben.
Meine Stellungnahme möchte ich hiermit ausführlich mitteilen.
Wir, Bündnis 90 / Die Grünen hatten die Umbenennung der Straße schon 1995 beantragt, dies wurde dann im Juni 1996 abgelehnt. Jetzt haben wir, nach einem Antrag der DAGA einen Vorschlag der Verwaltung, der die Änderung des Straßennamens vorsieht. Dankenswerterweise haben wir alle die 30 Seiten des Experten-Hearings von Würzburg erhalten. Ich möchte hier den Prof. Peiffer, er ist Leiter des Institutes für Sortwissenschaft an der Uni Hannover zitieren.
„Die Frage, ob Carl Diem in der heutigen Zeit noch als Vorbild in der Gesellschaft gelten könne, indem Straßen, Sporthallen, Sportveranstaltungen und Ehrenpreise nach ihm benannt würden, werde öffentlich breit diskutiert, seit dem bekannt geworden sei, dass Carl Diem am 18. März 1945 auf dem Reichssportfeld in Berlin vor Einheiten des Volkssturms und der Hitlerjugend eine Rede gehalten habe. Nicht um sie vor einer sinnlosen Abwehr-Schlacht zu bewahren, sondern um sie in den sicheren Tod zu schicken. Das Landgericht Darmstadt habe am 17.01.2002 die Authentizität dieser Rede bestätigt. Das Gericht habe festgestellt, dass der Inhalt der Diem`schen Rede pointiert in dem Satz zusammengefasst werden könne, er habe zum finalen Opfergang für Führer und Vaterland aufgerufen. Fakt sei, Diem habe diese Rede gehalten und Jugendliche und ältere Männer aufgefordert, in einen sinnlosen Krieg zu ziehen und sinnlose Opfer für ein terroristisches Regime zu bringen. Ganz im Gegensatz dazu stehe die Tat eines Hamburger Lehrers und Haupmann der Reserve, der die ihm zugeordneten Flakhelfer, nämlich seine Schüler, wieder nach Hause geleitet habe.“
Der Stadtrat muß heute entscheiden, ob die Straße weiterhin den Namen Carl-Diem tragen soll und damit Diem weiterhin eine Vorbildrolle in der heutigen Zeit und vorallem für die Jugend zugeschrieben werden kann. Nach meiner Überzeugung sind an Namenspatrone sehr strenge Maßstäbe bzgl. Lebenshaltung und Einstellung anzulegen – gerade am Vorbilder aus dem Bereich des Sports. Dem Sport wird das Fairplay, eine friedensstifende und völkerverbindende Funktion zugeschrieben. Wie soll aber gerade jungen Sportlern erklärt werden, daß ein Sportfunktionär ausgewählt wurde, der eben diese Funktionen des Sports immer wieder in Frage gestellt und der den Nationalsozialismus (siehe oben) aktiv unterstützt hat ! Abschließend möchte ich ausdrücklich den Antrag der DAGA und den Vorschlag der Verwaltung unterstützen und für die Umbenennung stimmen.

Abstimmung: Nur eine (meine) Stimme für die Umbenennung der Straße und alle anderen 19 Stimmen (alle anwesenden Stadträte der CSU, SPD, PWG und FDP) dagegen !!!!

Unter TOP Verschiedenes, Wünsche und Anregungen monierte ich die bisherige Nichtbehandlung unseres Antrages für einen Fußgängerüberweg in der Wasserloser Straße und Tempo 30 im Mühlweg.
Frau Debes vom Stadtbauamt antwortete mir, daß in der Kalenderwoche 45 ein Gespräch mit dem Straßenbauamt und Landratsamt Aschaffenburg wegen Öffnung der Wasserloser Straße stattfindet, und damit auch der Überweg besprochen werde.

Mit grünen Grüssen

Burkard Jung
Fraktionsvorsitzender
Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat Alzenau