Bauleitplanung für das Gebiet „Eichwald“

Stellungnahme der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zum Thema:

Bauleitplanung für das Gebiet „Eichwald“ TOP 3. der Stadtratssitzung am 19.07.2007

Herr Bürgermeister, werte Alzenauer

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen begrüßt ausdrücklich die ausführliche Würdigung des Themas Bauleitplanung des „Eichwaldes“ durch die Stadtverwaltung, insbesondere durch unseren Bürgermeister, das Stadtbauamt und die Umweltabteilung. Der Stadtrat hat nun mehrere Gutachten, Untersuchungen und fachliche sowie rechtliche Stellungnahmen von Ämtern und Behörden vorliegen, sodass heute eine Grundsatzentscheidung zu dem Thema herbei geführt werden kann.

 

Rückblickend möchte unsere Fraktion auf die Historie des „Eichwaldes“ eingehen. In früheren Jahren umgaben Streuobstgürtel die Ortschaften unserer Region, nicht nur zur Versorgung der Bevölkerung, sondern auch zum Verkauf des Obstes auf den Märkten (u.A. bis Frankfurt und sogar Leipzig). Durch Siedlungsdruck wurde dieser Ring auch in Alzenau weitgehend zerstört. Auch das Gebiet „Eichwald“ wurde 1979 als zukünftiges Wohngebiet im Flächennutzungsplan ausgewiesen, obwohl die Reg. von Unterfranken eine gegenteilige Stellungnahme abgab. In ihrem Schreiben vom 20.08.1975 war zu lesen, dass es sich hierbei – gemeint war die gesamte Hangregion zwischen Alzenau und Kälberau – um eine landschaftsökologisch und –optisch hochwertige Region handelt, die das örtliche Landschafts- und Ortsbild entscheidend prägt. Durch die vollständige Bebauung des Hanges würde nicht nur eine Zerstörung der direkten Hangbereiche stattfinden, überdies würde der unter Landschaftsschutz stehende Kahlgrund erheblich beeinträchtigt. Abschließend so die Regierung: Die Bebauungsausweisung wird aus hiesiger Sicht abgelehnt. In einem späteren Schreiben (03.10.1975) wurden den Flächenausweisungen für Wohnbaugebiet – für uns unerklärlich – dennoch zugestimmt. Im Gegensatz dazu wurde der „Eichwald“ im Landschaftsplan der Stadt Alzenau von 1976 als Biotop ausgewiesen. Dazu hieß es: „Diese Biotope sind wichtige charakteristische Landschaftselemente. Entscheidender ist jedoch ihre positive Wirkung zur Regulierung und Stabilisierung des Naturhaushaltes. Sie müssen vor technischen Eingriffen: Überbauung, Flurbereinigung, Bachregulierung, Drainierung usw. bewahrt werden (S.57). Die Biotope sind in jedem Fall zu erhalten (S. 66). Ein Zusammenwachsen von Siedlungseinheiten ist zu verhindern“ (S. 71). Des weiteren sind im Landschaftsplan von 1976 auch Luftaustauschzonen im „Eichwald“ eingetragen (Karte 10). Es heißt auch, dass es notwendig ist diese Luftaustauchbahnen unbedingt zu erhalten (S. 56). Somit steht der Landschaftsplan im völligen Dissens zum FNP der Stadt Alzenau. Ferner ist der „Eichwald“ in der Bayerischen Biotopkartierung als Biotop (Nr. 5920-57) ausgewiesen. Nach Aufnahme des Bereiches „Eichwald“ im Jahr 1992 wurde die Kartierung für das Land Bayern im März 2001 öffentlich ausgelegt und somit bekannt gemacht. In der Beschreibung heißt es: „Ausgedehnte Streuobstwiesen mit eingestreuten Gehölzen (Feldgehölze, Hecken und Gebüsche) am Rothenberg nordwestlich von Alzenau, und weiter; wertbestimmende Merkmale sind: Artenschutz, Großflächigkeit, wertvoller Biotopkomplex mit hoher Strukturvielfalt“. Das Land Bayern schlägt die Ausweisung als geschützten Landschaftsbestandteil vor, da es sich um einen ausgedehnten, extensiv genutzten und mit wertvollen Biotoptypen bzw. Pflanzenvorkommen ausgestatteten, traditionellen Kulturlandschaftsrest handelt. Außerdem sind Teilflächen nach dem § 13d1 BayNatSchG geschützt. Trotz dieser massiven vorgenannten Argumente gegen eine Wohnbebauung des „Eichwaldes“ – die von unserer GRÜNEN Fraktion immer wieder dargelegt wurden – sind städtebauliche und naturschutzfachliche Untersuchungen vom Stadtrat in Auftrag gegeben worden. So listete die Planergruppe HTWW für die Maximalvariante nach dem FNP folgende Nachteile u.a. auf:

  • Erhebliche zusätzliche Verkehrsbelastung der Kreuzung Bahnhof-/Michelbacher Straße und Schleichverkehr auf der Bahnhofstraße in Kälberau.

  • Drastischer Erschließungsaufwand (insbesondere große Steigungen 20 bis 50 ° in den Hangbereichen) für das Gebiet.

  • Massive Beeinträchtigung der Stadtsilhouette mit Verschandelung der Sichtachse auf das Wahrzeichen von Alzenau, die Burg.

  • Theoretisch erforderliche Ausgleichsfläche von fast 30 ha.

In der naturschutzfachlichen Untersuchung von Büro Trölenberg und Vogt ist nachzulesen, dass der vom Aussterben bedrohte Steinkauz und die stark gefährdeten Braunkehlchen und der Wendehals sowie andere Vogelarten die der Gefährdungsstufen 3 und 4 zuzuordnen sind, im „Eichwald“ vorkommen. Nach dem Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) Landkreis Aschaffenburg 1997 wird der Rothenberg als Lebensraum für zum Teil gefährdete Arten bestätigt. Die Artenausstattung und Größe machen das Gebiet nach Aussage des ABSP zu einem landesweit bedeutsamen und für den Landkreis beispielhaften Lebensraum. Dieser Expertise folgte eine weitere, über eine volle Vegetationsperiode gehende floristische und faunistische Bestandsaufnahme mit Bestandsbewertung der Planungsgruppe Natur und Umwelt (PGNU). Diese detaillierte Untersuchung haben wir heute von Dr. Bornholdt im Stadtrat präsentiert bekommen (zu umfangreich, möchte ich nicht eingehen). Auch die möglichen artenschutzrechtlichen Konsequenzen bei einer teilweisen Bebauung des „Eichwaldes“ wurde von der PNGU dargestellt. Letztendlich zieht die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen aus dem oben stehenden Argumenten folgendes Fazit und schließt sich der fachtechnischen Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde an:

Der Streuobstbestand im Eichwald ist ökologisch sehr hochwertig und einmalig in der gesamten Region Untermain. Die Südhanglage, die Altersstruktur und die äußerst hohe Strukturvielfalt sind die Grundlage für eine Tier und Pflanzenwelt mit besonderen herausragenden Eigenschaften, wie

  • artenreiches Vogelbrutgebiet mit landesweiter Bedeutung insbesondere wegen dem Vorkommen des Steinkauzes.

  • Vorkommen einer außergewöhnlich hohen Zahl an Flechten und Stechimmen mit zahlreichen gefährdeten und zum Teil vom Aussterben bedrohten Arten.

  • hoher Anteil an gefährdeten und z.T. vom Aussterben bedrohten Holzkäferarten.

Für alle „besonders und streng geschützten“ Arten gelten die Verbots-tatbestände des §42 BnatSchG, die eine absichtliche Beeinträchtigung der Arten untersagt. Eine artenschutzrechtliche Prüfung nach Bay. Naturschutzrecht ergäbe bei der vorliegenden Situation eine „erhebliche Beeinträchtigung“. Ferner ist es nicht möglich diese erhebliche Beeinträchtigung auszugleichen, da es sich beim Streuobst- und Feldgehölzbestand um alte, gewachsene Strukturen handelt. Die zeitliche Lücke, die entstehen würde, bis sich entsprechende neue Strukturen gebildet hätten, betragen mehrere Jahrzehnte und wäre zur Sicherung des Überlebens der betroffenen seltenen Arten zu groß.

Aus den o.g. Gründen lehnt die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet „Eichwald – auch in Teilbereichen – grundsätzlich ab

Burkard Jung
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
STADTRATSFRAKTION