Wohnen, Gebäude, Stadtentwicklung

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Gutes Wohnen schafft die Grundlage für gutes Leben, ist der Rück­zugsort. Das Umfeld soll so sein, dass man sich dort zuhause fühlt, vielleicht sogar dort seine Ferien verbringen möchte.

Energetische Sanierung von Gebäuden

Wohnen verursacht aber auch massive Co2-Emissionen, vor allem für die Heizung, immer häufiger auch für überflüssige technische Kühlung. Im Gebäudebereich gab es bisher keine Reduktion der Emissionen; bis 2030 brauchen wir hier nun Reduktionen um 66 %. Die Energetische Sanierung im Ge­bäudebereich (Heizungsaustausch, neue Fenster, Dämmung) ist daher von überragender Bedeu­tung. Ob die Energiewende gelingt, entscheidet sich auch in den eigenen vier Wänden.

Der neue Art. 11 c des Bayerischen Naturschutzgesetzes fordert von der Staatsverwaltung Vorbildfunktion bei der Energieeinsparung und bei der Nutzung erneuerbarer Energien ein und formuliert das Ziel einer klimaneutralen Verwaltung bis 2030. Den Kommunen wird empfohlen, ebenso zu verfahren. Sie müssen daher mit ihren Immobilien vorangehen und damit gleichzeitig eine Modernisierungsoffensive für energie­effizientes Wohnen anstoßen.

Besonders wichtig sind hier Förderhilfen, damit es nicht zu sozialen Unwuchten kommt, und öko­logische Baustoffe, damit wir uns nicht mit zukünftigem Sondermüll das nächste Problem schaffen.

Das Klimaschutzkonzept Alzenau liefert hier eine Bestandsanalyse und konkrete Handlungs­empfehlungen. Die dort vorgesehene Energieberatung vor Ort, die sowohl der Stadt als auch privaten Bauherr*innen bessere Wege zu energieeffizientem Umbauen und ressourcenschonendem Betrieb von Gebäuden aufzeigt und zugleich Klimaschutzmanagement erledigt, ist dafür dringend erforderlich.  

Umbau statt Neubau – Keine weitere Versiegelung

Gebäude bedeuten Versiegelung. Alles, was bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert (oder ander­weitig befestigt) ist, ist „versiegelt“. Dadurch entsteht luft- und wasserdicht abgedeckter Boden, und die Bodenlebewesen gehen ein. Die Versiegelung in Alzenau hat weiter zugenommen: betrug die Siedlungsfläche 2008 noch 11 %, so lag sie 2017 bereits bei 13,3 % der Stadtfläche. Dabei ist die Einwohnerzahl von Alzenau seit Jahren etwa gleichbleibend leicht unter 19.000: 2015: 18.839, 2017: 18.491. Die Prognose ergibt eine leichte Senkung. Dennoch wurden Neubaugebiete aus­gewiesen. Dabei ist der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ nicht nur eine umweltpolitisch sinnvolle Strategie, sondern geltendes Recht (§ 1 Abs. 5 S. 3 Bundesbaugesetz).

Mit der Ausweisung von Neubaugebieten sollte es ein Ende haben. Diese Bebauungsform mit ihrem enormen Flächenverbrauch ist nicht mehr zeitgemäß. Denn: eine weitere Zurückdrängung von Natur und von landwirtschaftlichen Flächen können wir uns nicht leisten. Also intelligenter Aus- und Umbau im Bestand; Sanierung in den Ortskernen, Umnutzung von Nebengebäuden; Aufstockung bestehender Häuser; Überbauung von großflächigen Discountmärkten, Nutzung der noch freien 500 Grundstücke (in privater Hand), Überbauung von Parkplätzen, Umnutzungen von Scheunengebäuden in den alten Ortskernen. Wo bereits versiegelt wurde, da muss in die Höhe oder Tiefe gebaut werden. Große ver­siegel­te Parkflächen sind zu vermeiden.

Kleinere attraktive Wohnungen im Zentrum der Kernstadt geben Älteren, denen ihr Haus zu groß und anstrengend und weit weg von allem wird und die eigentlich gar nicht mehr in ihrem Familienhaus bleiben möchten, die Möglichkeit umzuziehen und im Zentrum mehr am Leben teilzuhaben. Gleichzeitig werden dadurch Häuser frei, die von jungen Familien mit größerem Platzbedarf bezogen werden können. Kleine Wohnungen im Zentrum schaffen damit Häuser in den Ortsteilen – ohne Neubau! Ein Gewinn für alle Beteiligten.

Gleichzeitig ist Sanierung meist ökologischer als ein Neubau (ein Abriss bedeutet stets Vernichtung von Energie und Ressourcen; der Einsatz von Beton, Stahl und Kran ist CO2-intensiv) und lässt traditionelle Bauten nicht einfach verschwinden, sondern zeigt die Entwicklung der Stadt.

Eine stärkere Durchmischung von Wohnen und Arbeiten ist anzustreben. Sie sorgt für Zeitersparnis bei den Betroffenen und zudem für die Vermeidung von Verkehr: Beispiele wären Schwestern- und Pflegerappartments am Krankenhaus, Wohnungen für Erzieher*innen über dem Kindergarten, Wohn­möglichkeiten für Altenpfleger*innen in der Nähe des Seniorenwohnheims. Bezahlbarer Wohn­raum auf den eingeschossigen Geschäften im Industriegebiet. Das würde auch die Anwerbung von Arbeitnehmer*innen erheblich erleichtern.

Der Stadt sollte eine Vorreiterrolle beim Thema ökologisches Bauen zukommen.

Bezahlbares Wohnen              

Wohnen als Grundlage des Lebens muss für alle bezahlbar sein. Die Kommune kann und muss dafür sorgen, dass ein ausreichend großer Anteil an Sozialwohnungen vorhanden ist bzw. geschaffen wird. Sie kann den (Um)bau kleinerer „normaler“ Wohnungen in der Kernstadt forcieren, um damit Älteren die Möglichkeit des Umzugs zu geben – und für junge Familien günstige renovierungsbedürftige Häuser in den Ortsteilen zu ermöglichen. Das könnte auch den Renovierungsstau reduzieren.

Bezahlbares Wohnen bedeutet auch finanzielle Hilfen für energetische Sanierung, z.B. den Heizungsaustausch.

Neue gemeinschaftliche Wohnformen

Es gibt ein Leben jenseits der Neubaugebiete und des Eigenheims für jede Familie. Wir finden es sinn­voll, vielfältige andere Wohnformen auszuprobieren, also z.B. Wohn­konzepte mit autofreiem Wohnen zu unterstützen  oder ein Gelände für „tiny houses“ bereit­zu­stellen (möglicherweise temporär ein noch nicht bebautes zentrales Grundstück). Leben in Gemeinschaft in Wohngemeinschaften oder Hausprojekten. Das Miteinander der Generationen, von behindert und unbehindert wollen wir fördern. Auch hier sehen wir Unterschiedlichkeiten als bereichernd an. Und zwar immer für beide Seiten. In der Zukunftswerkstatt Wohnen wird offen über Möglichkeiten gemeinsamen Wohnens nachgedacht.

Wohnprojekte sind ein wirksames Instrument gegen Einsamkeit in zu großen Gebäuden ‒ und auch gegen Zersiedelung. Gegenseitige Hilfe ist aber auch für junge Familien attraktiv; eine Wahloma nebenan, die gerne Englischvokabeln abhört oder ein Nachbar, der auf den Hund aufpasst, gestaltet für alle das Alltagsleben einfacher – und schöner.

Wird das Wellpappegelände frei, so wird hier der Ort sein, um ein neues lebendiges vielfältig durch­mischtes zentrumsnahes Quartier mit dichtem urbanen und dennoch grünen Wohnen zu schaffen, auf dem auch Platz für organisierte Wohnprojekte sein wird.

Wohnen im Alter

Wir setzen uns ein für die Einrichtung neuer Wohnformen auch im Alter, wie Mehrgenerationen­wohnen, Wohngemeinschaften der verschiedensten Konstellationen. Der Bedarf ist da. Wer aber will, sollte im vertrauten Wohnumfeld alt werden, sein ureigenes selbstbestimmtes Leben führen können. Auch hier gibt es Lösungen: Alt-Jung-Projekte.

Ein Wohnpflegeheim für Menschen mit Behinderung

Alzenau braucht dringend ein Wohnpflegeheim, in dem erwachsene Menschen mit Behinderung, die dauerhaft Betreuung, Pflege und Förderung benötigen, ein neues Zuhause in der Nähe ihrer Familie finden. Bisher werden die Kinder, Jugendlichen und Jungerwachsenen zuhause liebevoll umsorgt. Aber das geht nicht immer so weiter. Eine zentrale Lage ist von großer Bedeutung, weil nur so die unkomplizierte Teilnahme am städtischen Leben, also ein Leben mitten im Leben, möglich ist.

Lebensqualität in den Wohngebieten

Wir wünschen uns in den Wohngebieten, aber auch vor Schulen mehr verkehrsberuhigte Bereiche (sog. Spielstraßen), in denen Fußgänger, Radler und Autofahrer gleichberechtigt sind. Die Straße hat dann Aufenthaltsfunktion – nicht nur Durchgangsfunktion. Straßenraum wird wieder zu mehr genutzt als zur gelegentlichen Nutzung durch Autos. Es gibt wunderbare Beispiele, wo Menschen Bänke auf­stellen, Blumenkübel, die Straße begrünen, sich treffen, die Straße wieder in Besitz nehmen, mit Leben füllen – und sich dadurch zuhause viel wohler fühlen. Spielende Kinder wären dort der Normal­fall und keine gefährdete Spezies, vor denen mit einem Verkehrsschild gewarnt werden muss. Mit einer kind- und menschengerechten Stadtentwicklung schafft man Wohngebiete, in denen man gerne lebt.

Konkrete Maßnahmen für Alzenau:
  • Energetische Sanierung der kommunalen und privaten Immobilien, Energieberatung (auch für subventionierte Maßnahmen)
  • Keine weiteren Neubaugebiete ausweisen
  • Intelligenten Umbau anregen
  • Genügend Sozialwohnungen schaffen
  • Wohnprojekte/Neue Wohnformen unterstützen
  • Errichtung eines Wohnpflegeheims für Menschen mit Behinderung im Zentrum unterstützen
  • Gelände für tiny houses bereitstellen
  • Verkehrsberuhigte Bereiche (Spielstraßen) ausweisen

 

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