Wechsel in der grünen Fraktion & emotionale Debatte um Nazi-Straßennamen

Die grüne Fraktion begrüßt ein neues Mitglied und der Stadtrat diskutiert lange und teils emotional, bevor die Entscheidung fällt, dass der Nazi Nikolaus Fey auf Alzenauer Straßenschildern nichts zu suchen hat. Das war die Stadtratssitzung am Donnerstag, den 28. Oktober 2021.

Bericht aus der Stadtratssitzung am 28.10.2021
 
Die Stadtratssitzung am 28. Oktober war in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Allein weil sie die erste seit Pandemiebeginn – und damit auch die erste des amtierenden Stadtrats – war, die im Sitzungssaal des Rathauses stattfand. Unter Einhaltung der 3G-Regel und mit Plexiglasscheiben zwischen den Sitzen durften so zahlreiche Stadträt*innen zum ersten Mal in einer Plenarsitzung an der Alzenauer Tafelrunde Platz nehmen.
 
Personeller Wechsel in der grünen Fraktion
Eine von ihnen war Angela Hadler. Für sie war dies jedoch zugleich die erste Sitzung als Stadträtin überhaupt.
Unser Fraktionskollege Stephan Schmauder hat sich Mitte Oktober aus persönlichen Gründen entschieden, sein Stadtratsmandat niederzulegen. Wir bedauern diese Entscheidung sehr. Stephans Expertise im Bereich der erneuerbaren Energien, seine Erfahrung als Unternehmer und Stadtrat und seine Beharrlichkeit werden dem Gremium fehlen.
Nichtsdestotrotz freuen wir uns über das Nachrücken von Angie Hadler, auf die Zusammenarbeit mit ihr als erfahrener und engagierter Kollegin und sind uns sicher, dass sie die Kommunalpolitik in Alzenau bereichern wird. Nach ihrer Vereidigung am vergangenen Donnerstag gehört sie dem Stadtrat nun offiziell an und kann damit loslegen.
 
Bericht des Bürgermeisters – Schneckentempo beim Klimaschutz
In seinem Bericht sprach Bürgermeister Noll u.a. vom Sachstand der Fortschreibung des Alzenauer Klimaschutzkonzepts. Zur Erinnerung: Das alte war 2020 ausgelaufen, wir hatten im September 2020 die Fortschreibung beantragt, im November letzten Jahres ist sie daraufhin beschlossen worden. Nun, knapp ein Jahr später, ist endlich der im Juli neu beantragte Förderbescheid da und die Ausschreibung wird vorbereitet. Die Fortschreibung wird frühestens im Januar begonnen, also über ein Jahr nach Beschluss. Das ist bei einem derart dringlichen Thema zu langsam.
Wir werden deshalb weiter auf Tempo beim Klimaschutz drängen und darauf, den Fortschreibungsprozess so schnell als möglich abzuschließen. Vieles lässt sich auch ohne Konzept schon umsetzen. Dazu wird es weitere Anträge von uns geben.
 
Nikolaus Fey – Darf eine Straße nach einem Nazi benannt sein?
 
„Nein.“ lautet die klare und unmissverständliche Antwort. Darum ging es bei TOP 7 als die Umbenennung der Nikolaus Fey-Straße zur Debatte stand. Bereits vorher war das Thema in der Sitzung aufgeploppt. Zum einen hatte Bürgermeister Noll zu Beginn der Sitzung vorgeschlagen, es noch einmal zu vertagen. Nach den Einlassungen von Nikolaus Feys Enkel Michael Fey zur Person seines Großvaters sei es relevant, ob die Stadt Würzburg ihre Entscheidung zur Umbenennung der dortigen Nikolaus Fey-Straße noch einmal ändere.
Für uns hingegen war klar, dass alle entscheidungserheblichen Fakten auf dem Tisch liegen und die Sache deshalb zu einem Abschluss gebracht werden kann. Dies sah auch eine Mehrheit des Stadtrats so, die Vertagung wurde abgelehnt.
Außerdem meldete sich in der Bürger*innenfragestunde Irene Treffert, ehemalige dritte Bürgermeisterin und Ehrenbürgerin der Stadt Alzenau, zu Wort. Sie appellierte an den Stadtrat, die Benennung einer Straße nach dem Nazi Nikolaus Fey nicht weiter hinzunehmen. Die Umbenennung sei eine moralische Frage. Das Engagement gegen Antisemitismus einerseits und die Beibehaltung des Namens andererseits gehe nicht zusammen.
In den Reihen der Zuschauer*innen befanden sich unterdessen zahlreiche Anwohner*innen der Nikolaus Fey-Straße, die sich mehrheitlich für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen hatten.
Wie Irene Treffert sah das Bürgermeister Noll als er den TOP 7 aufrief. Er berichtet von seiner wenige Tage zurück liegenden Israelreise. Auch ein Besuch der Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem habe auf dem Programm gestanden. Man versuche dort die Geschichte der sechs Millionen Menschen zu erzählen, die in der Shoa ermordet wurden. Nur bei knapp vier Millionen sei das überhaupt möglich, weil die vollständige Identitätsfeststellung an der schieren Menge scheitere. Jemandem, der das verbrecherische NS-Regime aktiv unterstützt hat, dürfe daher keine Ehrung durch einen Straßennamen zustehen. Die Entscheidung zur Umbenennung sei eine Frage der Haltung.
 
Den Ausführungen von Noll und Treffert konnten wir uns vollumfänglich anschließen. Unseren Standpunkt erläuterte unser Stadtrat Tim Höfler nochmal ausführlich. Nikolaus Fey hatte nicht nur aktiv die Propaganda des NS-Regimes unterstützt, sondern sich im Alter von 61 Jahren 1942 noch einmal freiwillig entschieden, die deutschen Besatzer*innen im sogenannten Generalgouvernement in Polen zu unterstützen. In diesem Gebiet lagen mehrere Vernichtungslage und genau zu der Zeit als Fey dort war, zwischen 1942 und 1943, ermordeten die Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion „Reinhardt“ zwischen 1,6 und 1,8 Millionen Jüdinnen und Juden, sowie 50.000 Roma, aus dem Generalgouvernement in den Lagern.
Feys Beitrag zu diesen Verbrechen mag als kleine Bürokraft klein gewesen sein, aber er war eben doch vorhanden. Die Behauptung seines Enkels, er habe sich in dieser Zeit vom Nationalsozialismus innerlich abgewandt, ist nicht belegt. Sehr wohl belegt ist die Tatsache, dass Fey sich niemals öffentlich von seinem Beitrag zum Nationalsozialismus distanziert hat.
 
In Alzenau steht Fey als Namensgeber einer Straße in einer Reihe mit zahlreichen verdienten Persönlichkeiten. Zuletzt entschied der Stadtrat sich, einen Platz in Hörstein nach Bella und Israel Wahler zu benennen, zwei verdiente Bürger*innen des Orts, die aufgrund ihrer jüdischen Religion in Auschwitz ermordet wurden. Dies zeigt deutlich, dass das gern gebrachte Argument, der Name Nikolaus Fey könne als Mahnung beibehalten werden, nicht funktioniert. Ein Straßenname ist immer eine Ehrung. Nikolaus Fey in eine Reihe mit den Eheleuten Wahler zu stellen, ist unerträglich.
Angie Hadler erinnerte in ihrem Redebeitrag auch daran, dass an der Nikolaus Fey-Straße die Edith Stein-Schule, die Karl Amberg-Schuld und die Erich Kästner-Schule liegen. Edith Stein wurde in Auschwitz ermordet, Karl Amberg und Erich Kästner sind beide als Gegner des NS-Regimes verfolgt worden. Auch dieser Umstand macht es notwendig, dass die Straße, an der die Schulen liegen, nicht mehr nach einem Nazi benannt ist.
Für uns GRÜNE war deshalb klar, dass wir in Wahrnehmung unserer historischen Verantwortung und zur Verwirklichung des Grundsatzes „Nie wieder Faschismus“ nur für die Umbenennung der Straße stimmen konnten. 
 
Dem schloss sich in ihrer Rede die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion Anni Christ-Dahm an.
Anders sah das hingegen CSU-Fraktionssprecher Georg Grebner. Er verwies darauf, dass man sich nach der ersten Erörterung des Themas in der Aprilsitzung entschieden habe, die Anwohner*innen miteinzubeziehen. Nachdem dieses sich mit großer Mehrheit gegen die Umbenennung der Straße ausgesprochen habe, müsse man diese Entscheidung nun achten. Angie Hadler verwies später richtigerweise darauf, dass der Stadtrat nicht nur für die Einwohner*innen der Nikolaus Fey-Straße entscheide, sondern für alle Alzenauer*innen. Es ist im Interesse der ganzen Stadt, dass ein solcher Name getilgt wird. Grebner fuhr fort, eine Seite aus dem Geschichtsbuch zu reißen, mache die Geschichte nicht ungeschehen und zeigte damit, dass er offensichtlich nicht verstanden hat, welchen Zweck die Benennung einer Straße hat.
 
Auch Jeanette Kaltenhauser von der FDP sprach sich gegen die Umbenennung aus. Sie maße sich nicht an, über die Eigenschaft von Nikolaus Fey als Nazi zu urteilen. Die Stadträt*innen 1957 hatten sich für die Benennung der Straße entschieden und hielten Fey deshalb wohl nicht für einen Nationalsozialisten. Dass die deutsche Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland durchsetzt war mit Menschen mit Nazi-Biografien, die sich entsprechend wenig für die Verfehlungen ihrer Mitbürger*innen interessierten, ließ die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins damit völlig außer Acht.
 
Um den Stadtrat zu überzeugen wurde es nun nochmal emotional. Irene Treffert bat um erneutes Rederecht, bekam dieses gewährt und fragte, was man den jüdischen Mitbürger*innen Alzenaus erzählen wolle, wenn man sich nun für die Beibehaltung des Namens entscheide.
Eva Botzem-Emge aus unserer Fraktion mahnte, man solle sich das Schild mit Nikolaus Fey vorstellen und überlegen, ob man die Beibehaltung dieses Namens in seinem Herzen mittragen könne.
 
Die Apelle wirkten. In der Abstimmung über die Umbenennung der Straße stimmten 16 Stadtratsmitglieder dafür, darunter die Fraktionen der GRÜNEN, der SPD und große Teile der CSU. Dagegen waren Freie Wähler, FDP und drei CSUler.
Ein Komitee zur Namensfindung einzurichten, wurde sodann mit vier Gegenstimmen beschlossen.
 
Dass wir uns mit dieser Entscheidung unter den betroffenen Anwohner*innen kaum Freund*innen gemacht haben, ist uns klar. Der Stadtrat ist hingegen nicht gewählt, um die Wünsche aller zu erfüllen, sondern lediglich, um bei der Entscheidungsfindung alle Aspekte miteinzubeziehen. Dies ist vorliegend geschehen. Die richtige Entscheidung kann mitunter unbequem sein. Wer dann davor zurückschreckt, ist in der Politik am falschen Platz.
Große Einigkeit besteht aber im Stadtrat darüber, dass die Anwohner*innen bei dem durch die Umbenennung anfallenden Aufwand die größtmögliche Unterstützung – auch finanziell- durch die Stadt erhalten sollen.
 
Kurze Debatte über Stilllegung von Waldflächen – Im Ausschuss vorbehandelt
 
Der letzte Punkt im öffentlichen Teil war im Umweltausschuss kürzlich bereits vorbehandelt worden. Entsprechend kurz fiel die Diskussion aus. Die Biodiversitätsgruppe des Umweltbeirats hatte beantragt, 5% der Alzenauer Waldflächen stillzulegen. Die von der Bundesregierung vorgelegte nationale Biodiversitätsstrategie sieht eine Stilllegung von 10% der öffentlichen Waldflächen vor. In Anerkennung der Bemühungen der Alzenauer Forstabteilung um die Biodiversität im Alzenauer Wald war der Antrag bereits von 10% auf 5% abgeändert worden.
 
Forstchef Handlbichler war jedoch selbst das noch zu viel. Er setzt darauf, die Biodiversitätsziele mit anderen Maßnahmen zu erreichen. Unsere Fraktionsvorsitzende Claudia Neumann äußerte wie schon im Ausschuss ihr Unverständnis darüber. Ein nicht unerheblicher Teil der Alzenauer Waldflächen seien mit den beiden Naturwaldreservaten bereits stillgelegt, sie könne den Widerstand gegen die Aufstockung auf 5% nicht nachvollziehen. Zugleich betonte sie, dass sie nicht, wie in der Ausschussdebatte zum Teil angeklungen war, die Arbeit von Handlbichler in Abrede stellt. Er mache seinen Job gut und sei „Förster mit Leib und Seele“. Bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen der Biodiversitätsgruppe, der Claudia angehört, und dem Forstamt handelt es sich um Detailfragen.
Wie schon im Ausschuss wurde die beantragte Stilllegung sodann gegen die Stimmen von GRÜNEN und SPD abgelehnt. Die von Handlbichler vorgeschlagenen Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung im Rahmen des neuen Forstwirtschaftsplans wurden hingegen mit nur einer Gegenstimme von Hans-Dieter Herbert (SPD) mitgetragen.