Verkehr

Wirksamer Klimaschutz verlangt zwingend einen anderen Verkehr. Im Bereich des Verkehrs gab es bisher, anders als in anderen Bereichen, keine Emissionsverringerungen. Dass das einzelne KfZ mit Verbrennungsmotor heute weniger verbraucht, ist kein Argument – es sind mehr Wagen und es wird mehr gefahren. Deshalb muss hier bis 2030 die drittgrößte Menge an CO2-Äquivalenten (nach Energiewirtschaft und Indus­trie), das sind gute 40 % der momentanen Emissionen eingespart werden. Der Weg weg vom moto­risierten Individualverkehr ist also eine Notwendigkeit und hat mit „Autohass“ nichts zu tun.

Ein vollständiger Ersatz der Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Elektroautos ist keine Lösung. Zwar fallen Abgase, Feinstaub und Lärm weg, aber die übrigen negativen Folgen des Autoverkehrs, der erhebliche Platzverbrauch (Straßen und Parkplätze), der Reifenabrieb (Hauptursache für Mikroplastik) und die Unfallgefahr gelten auch für Elektroautos. Da zudem die Herstellung eines E-Motors erhebliche Ressourcen verbraucht, gibt es nur eines: die massive Reduktion jeder Art von Auto, die Verlagerung des Verkehrs auf die umweltfreundlicheren Varianten. Anders sind die Probleme nicht zu lösen.

Eine Minderung des Individualverkehrs verlangen daher sowohl die Agenda Alzenau 21 als auch das Klimaschutzkonzept Alzenau, sie ist also alles andere als ein klimahysterischer Aktionismus. In Alzenau werden Autos im Verhältnis zum öffentlichen Nahverkehr deutlich mehr als in vergleichbaren Städten genutzt; der Kraftfahrzeugbestand in Alzenau hat bis 2017 zugenommen und ist 2018 auf vergleichsweise sehr hohem Niveau gleichgeblieben (13.000 Autos). Die Vorhersage des Verkehrs­modells Bayrischer Untermain sieht eine Steigerung des Privat- und Güterverkehrs bis 2030. Und in Alzenau hat das Auto weiter Priorität: im aktuellen Einkaufsführer von Stadt und GHG weist der Bürgermeister als erstes auf die 400 kostenlosen Parkplätze im Stadtgebiet und das Parkleitsystem hin, erst später wird erwähnt, dass es auch Bus und Bahn gibt. So funktioniert kein Klimaschutz.

So aber funktioniert er: Mit einem attraktiven funktionierenden Fuß- und Radwegenetz und einem ebensolchen Bus- und Bahnangebot. Und dann glückliche Passant*innen, Radler*innen und Bahnfahrer*innen. Das Auto wird – fast – überflüssig; für den erforderlichen kleinen Rest gibt es Elektroautos oder umweltfreundliche Alternativen.

Auch hier: es soll sehr anders werden – und zwar besser. Freies angstfreies Laufen und Fahrradfahren an und auf den Straßen. Weniger Lärm. Platz für Menschen. Keine riesigen asphaltierten Parkplätze, die zu Nützlicherem, z.B. zentrumsnahem Wohnraum oder für urbane Gärten, genutzt werden können. Weniger Autos bedeuten Gewinn von Lebensqualität vor Ort.

Viel zu Fuß und per Rad

Gehen ist die einfachste, ursprünglichste und eine gesunde Art der Fortbewegung. Man braucht nichts – nur sich selbst, unabhängiger geht es nicht.

Radfahren ist cool, gesund, macht gute Laune – und schädigt niemanden. Fahrradfahren im Alltag sollte auch in Alzenau selbstverständlich werden. Genauso sieht das auch das Radverkehrsprogramm Bayern 2025 (formuliert 2017), das den Anteil am Gesamtverkehr in Bayern bis 2025 von 10 auf 20 % aller Wege heben will. Alzenau muss sich anstrengen, um dieses Ziel zu erreichen, denn hier liegt der Fahrradanteil noch deutlich darunter (vielleicht 5-7,5 %). Wir brauchen dafür ein gutes und sicheres familientaugliches Radwegenetz, auf dem Großeltern und Enkel*innen ohne Angst unterwegs sind – markierte Fahrradstreifen in allen Hauptstraßen bis hin zu verkehrsberuhigten Straßen. Mehr Einbahnstraßen, die für den Fahrradverkehr geöffnet sind. Barrieren sollten von den Radwegen entfernt werden. Sie erschweren das Durchkommen für Fahrradanhänger und Lastenräder massiv und sind für alle unsicheren Radler ein echtes Hindernis. Um dies zu erreichen, soll ein detailliertes Radverkehrskonzept für Alzenau erarbeitet werden, das auch die Anbindung nach Hessen im Auge hat. Wichtig ist hier das Know-how eines einschlägigen Fachbüros. Nur auf diese Weise könnte auch Alzenau eine fahrradfreundliche Kommune werden. Für Fahrradpendler brauchen wir Verbindungen zur Metropolregion RheinMain.

Wir brauchen mehr Fahrradständer ‒ beim Krankenhaus und Ärztehaus, Kulturforum (sehr gut unter­halb des Kinos), möglicherweise auch abschließbare Fahrradkäfige an den Bahnhöfen und Bushalte­stellen (sehr gut insofern bereits der Michelbacher Bahnhof). Denn die Mobilität von morgen ist vernetzt. Aber: Das beste Angebot nützt nichts, wenn die eigene Bequemlichkeit nicht überwunden wird. Genauso wichtig wie der Verkehrsweg ist der Mentalitätswandel, die Veränderung der Ge­wohn­heiten. Mit Fahrradtaschen, Anhänger oder einem (geteilten) Lastenrad sind auch all die ganz alltäglichen Transporte möglich.

Gerne mit City-Bus und Bembel

Die alltägliche Benutzbarkeit der Stadtbuslinien würde deutlich steigen durch längere Fahrzeiten in der Woche am Abend, bis Mitternacht. Momentan fährt von Montag bis Donnerstag der letzte Bus ab Busbahnhof Alzenau in beide Richtungen um 21.30 Uhr. Das ist für Veranstaltungen zu früh: damit scheitert der gesellschaftlich erwünschte Besuch von Sportverein, VHS-Kurs, Vortrag, Ausstellung, Konzert oder Gastronomie ohne Auto an fehlenden Busverbindungen. Eine häufigere Taktung der Stadtbuslinien ist wohl wegen der zu geringen Fahrgastzahlen noch utopisch. Ziel ist auch eine Bembel, die durchgängig im Stundentakt bis Mitternacht fährt. Momentan fährt wochentags die letzte Bembel ab Burg um kurz vor halb elf Richtung Schöllkrippen, um kurz nach halb zehn Richtung Hanau. Gut, dass Ende letzten Jahres auch am Wochenende der durchgehende Stundentakt eingeführt wurde.

Als Ergänzung dieses Bus- und Bahn-Angebots könnte der Einsatz von Sammel- und Ruftaxis in den Nachtstunden dienen (nach Aschaffenburger Vorbild). Und private Fahrten und Mitnahmemöglich-keiten könnten über eine App vernetzt werden.

 

Der bereits erfolgende Einsatz für die Anerkennung des Job- und Semestertickets des RMV durch den VAB ist wichtig und sollte unbedingt weiter verfolgt werden.

Die Eintrittskarte für Kulturveranstaltungen in Alzenau sollte wieder zugleich City-Bus-Ticket sein. 

Weniger mit dem Auto

Für die noch erforderliche Elektromobilität brauchen wir Ladesäulen.

Wir streben Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit im gesamten Stadtgebiet an. Dazu fehlt nicht mehr viel. Straßen, die noch mit Tempo 50 befahren werden dürfen, sind z.B. in der Kernstadt in Teilen die Dieselstraße, Brentanostraße, Mühlweg. Das inzwischen allgemein akzeptierte Tempo 30 in den Ortsdurchfahrten sollte auch durchgesetzt werden (besonders nachts wegen des Lärms bei höherer Geschwindigkeit). Das geringere Tempo hat zu deutlich angenehmeren Verhältnissen für Anwohner*innen, für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen geführt.

Ein Carsharing-Angebot für Alzenau ist denkbar.

Der städtische Fuhrpark muss auf lange Sicht auf Elektroautos oder andere umweltfreundliche Antriebe umgestellt werden.

Die Parkplätze der Zukunft sind nicht versiegelt und von Bäumen beschattet.

 

Einzelne Verbesserungsvorschläge:

  • Das sommerliche Parken von Autos an Waldschwimmbad und Meerhofsee ist chaotisch, für Anwohner*innen anstrengend und für durch die Autos hindurchschlüpfende Kinder gefährlich. Das muss nicht sein. Beide Bäder sind für Radler*innen gut angebunden. Mit City-Bus und Bembel eigentlich auch – deren Nutzung könnte man durch eine Umbenennung der passenden Haltestellen nach den Bädern (z.B. Alzenau Nord/Meerhofsee) fördern. Zudem wäre ein*e Parkplatzwächter*in plus Parkgebühren sinnvoll.
  • Der Parkplatz am Krankenhaus/Ärztehaus platzt regelmäßig aus allen Nähten; mehr Parkraum ist keine Lösung, er sorgt für noch mehr Autoverkehr. Parkraum für Beschäftigte mit Nachdiensten muss natürlich vorgehalten werden. Ein Radständer steht aber nur verschämt in der Ecke, lädt nicht ein.
  • Überdenken des kostenfreien Parkens in der gesamten Stadt – möglicherweise mit Gutscheinsystemen für den Einzelhandel; denn: an den tatsächlichen Kosten, die das Parken der Allgemeinheit aufbürdet, werden die Nutzer nicht beteiligt – der online-Handel kann kein Totschlagsgegenargument sein.

 

Konkrete Maßnahmen für Alzenau:
  • Radverkehrskonzept von Fachbüro erstellen lassen, entsprechend Radwege im gesamten Stadtgebiet ausweisen
  • Mobilitätsgarantie: 5 – 24 Uhr, Ausweitung der Fahrzeiten bei City-Bus und Bembel
  • Tempo 30 flächendeckend im gesamten Stadtgebiet – es fehlt nicht mehr viel dazu
  • Vernetzung von privaten Fahrten und Mitnahmemöglichkeiten über eine App

 

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